Wer macht heute noch Milchvieh und warum?

Drei junge Hofübernehmer erzählen über Übernahme und Leben auf dem Milchviehbetrieb

 

Milchviehbetriebe haben ein hartes Image: Hohe Arbeitsspitzen, die körperliche Belastung, ständige Verfügbarkeit – was macht dennoch die Begeisterung für diesen Betriebszweig aus? Immerhin gibt es in Österreich 25.608 Milchlieferant*innen, die ihre Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch an 84 Verarbeitungsbetriebe liefern. Im Jahr 2019 haben 4% der Milchviehbetriebe aufgehört. Gegen diesen Trend stellen sich die drei Hofübernehmer-Paare, die ganz unterschiedlich zu ihrem Wunschberuf gekommen sind: Sie haben den Familienbetrieb übernommen, haben außerfamiliär nach einem Milchviehbetrieb gesucht, ein Hof wurde sogar von Grund auf neu belebt und für die Milchwirtschaft umgebaut. Wie und warum, das erzählen die drei in den nachfolgenden Kurzportraits.

Die drei Betriebe, die wir euch hier vorstellen, haben Hofübernehmer gefunden. Nicht alle haben so viel Glück, die fehlende Hofnachfolge ist der häufigste Grund für die Aufgabe des Betriebes. Diese hängt, wenn es Kinder gibt, oft mit der hohen Arbeitsbelastung zusammen. Viele Landwirt*innen wünschen sich für ihre Kinder sogar einen anderen, einen “besseren” Beruf mit mehr Sicherheit und geregelten Arbeitszeiten. So bleibt die Frage nach der Hofnachfolge lange ungeklärt, in den Hof wird nur mehr das Nötigste investiert und es wird immer schwieriger, eine Hofnachfolge zu finden.

Über das gute Leben

Das gute Leben, gibt es das überhaupt? Wie kann die hohe Arbeitsbelastung in der Milchwirtschaft gemeistert werden? Was hat die persönliche Lebensqualität mit einem funktionierenden Betrieb zu tun?

In Österreich bietet die Initiative “Lebensqualität Bauernhof” mit dem bäuerlichen Sorgentelefon ein kostenloses Beratungsangebot an für Bäuerinnen und Bauern in herausfordernden Situationen. Ein großes Thema dabei ist die Hofnachfolge, sowie Generationenkonflikte. Gerade die fehlende Hofnachfolge kann eine große Belastung darstellen, ist doch die Weitergabe des Lebenswerkes fest im bäuerlichen Denken verankert. Hier bietet der Verein “Perspektive Landwirtschaft” Unterstützung an und bietet mit der Hofbörse einen Ort der Begegnung für Menschen, die eine Hofübergabe planen und all jenen, die einen Hof suchen.

Die außerfamiliäre Hofübernahme

 

Wie stellst du dir dein Leben als Milchbäuerin vor?

Bianca: Schön, anstrengend, aber schön. Weil man Arbeit und Familie verbinden kann und man das Rohprodukt selber verarbeiten kann. Das mein ich eher für den Eigenbedarf, z.B. Käsekugeln, Rahm abschöpfen, Butter kneten, für uns und Verwandte. In die Direktvermarktung würden wir im Moment nicht gehen, das wäre bei uns mit Familie und Arbeitsaufteilung zu aufwändig, mein Mann will weiterhin arbeiten gehen. Aber vielleicht kommt uns in ein paar Jahren die Idee, wir haben so viele, schauen wir was wir davon umsetzen.

Ihr kanntet eure “Altbauern” vorher nicht: Wie ist das Verhältnis zwischen den Generationen, eher beruflich oder familiär?

Bianca: Unsere Kinder sagen Oma und Opa zu unseren Übergebern, wir essen miteinander, wenn wir dort sind und 2, 3 mal die Woche wollen wir das beibehalten. Auch um zu besprechen im Voraus, wie man die Arbeiten aufteilt. Wenn man öfter beieinander sitzt, kann man die Woche besser planen, wie wird das Wetter, was macht man wann, wer kocht. So stellen wir uns das vor. Wir haben ein sehr familiäres Verhältnis miteinander. Manche können das gar nicht verstehen, dass wir zu fremden Leuten ziehen. Aber es kann auch in der eigenen Familie zu Reibereien kommen. Trotzdem, ganz viele reden uns sehr gut zu und sagen “wow ihr seid mutig!”. Auch wenn es in der Familie Zweifel gibt, wir gehen unseren Weg und haben hier unsere Heimat gefunden. Hier können wir tun, was wir wollen, außer Pferde (lacht). Es ist schön, diese Freiheit zu haben.

Und trotzdem entscheidet ihr euch für Milchvieh?

Bianca: Mein Mann ist auf einem Milchviehbetrieb groß geworden, er wollte das immer schon. Und ich mag das Melken auch immer schon und alles drum herum, vom Besamen bis zum Kalb und dann wird es meine eigene Milchkuh, dieser Kreislauf. Man lebt mit den Tieren von Anfang bis zum Ende mit, man fiebert und leidet und freut sich mit.

Wie glaubst du wird das mit dem “Angehängt sein” mit den Tieren und welche Rolle spielen eure Hofübergeber?

Bianca: Meine erste Reaktion war: “Hilfe man kann nichts mehr tun”, aber unsere Übergeber wollen, dass wir auch noch ein Leben haben, wir rechnen also fest mit ihnen. Die Altbauern wollen weiterhin mitarbeiten, sie wollen nicht jeden Tag aufstehen und in den Stall gehen, aber bei der Ernte, oder wenn was mit den Kindern ist, da helfen sie immer mit. Sie sind sehr großzügig und werden so übergeben, wie wenn wir ihre Kinder wären.

Was war dein schönstes Erlebnis auf dem Betrieb?

Bianca: Unser schönstes Erlebnis bisher war die erste Geburt vom Kalb Vroni, dass wir das alleine gemeistert haben. Da waren unsere Altbauern grad unterwegs.

Was sind die größten Herausforderungen?

Bianca: Die Abhängigkeit vom Milchpreis, darüber reden wir oft. Wer weiß, wie lange es sich noch rentiert. Aber dann würde uns sicher was anderes einfallen. Mit alt und jung da wird es sicher auch noch Konflikte geben, aber insgesamt sind wir optimistisch. Unsere Hofübergeber haben den Betrieb total im Griff mit Zuchtverband usw. Wir können noch viel von ihnen lernen. Sie haben auch immer viele Weiterbildungen gemacht und das merkt man, dass sie sich wirklich mit der Materie auseinandergesetzt haben und sie das ernst nehmen. Wenn ein Kalb sterben würde, wäre das für sie auch emotional ein schwerer Verlust, da sind wir uns sehr nahe von den Werten her, das Tierwohl ist für uns alle über dem Profit.

Die Hofübernahme von den Großeltern

 

Erzählt uns bitte etwas über euren Betrieb!

Manuel: Wir sind auf diesem Betrieb seit fast 4 Jahren, heuer mit 1.1. haben wir den Betrieb übernommen von den Großeltern meiner Frau. Es sind ca. 50 Milchkühe am Hof, wir bewirtschaften knapp 6 Hektar Acker, wo wir eigentlich alles anbauen, Getreide und Mais, das wir für unseren Betrieb brauchen. Dann bewirtschaften wir noch knappe 40 Hektar Grünland und unseren Wald. Bisher hatten wir den Betrieb gepachtet. Die Großeltern wohnen auch hier, aber wir haben komplett getrennte Wohn- und Lebensbereiche.

Warum wolltet ihr mit Milchvieh weitermachen?

Manuel: Der Onkel meiner Frau ist 2017 bei einem Unfall ums Leben gekommen, ich habe dann hier einen Zivildienst gemacht. Da kann man sich melden beim Land und ich hatte das Glück, auf unserem Betrieb unterzukommen und hatte dann 9 Monate die Möglichkeit, das Leben am Betrieb zu probieren. Vorher hatte ich keine landwirtschaftliche Ausbildung, habe aber viel in der Familie überall mitgeholfen. Das Milchvieh hat uns dann einfach getaugt und wir haben gesagt, wir machen genauso weiter, wie der Betrieb so dasteht, mit Melkroboter und auch sonst gut ausgestattet. Wir wollten auch weiterhin die Milch an Woerle liefern. Direktvermarktung hatten wir nicht wirklich überlegt – bei unserer Größe kann man sowieso nicht alles selbst vermarkten und auch vom Fleisch her finde ich das weniger interessant, zum Probieren hatten wir letztes Jahr 4 Sau am Hof für den Eigenbedarf innerhalb der Familie und Freunde. Aber wir bleiben bei den Milchkühen!

Wie teilst du dir Freizeit und Arbeit ein?

Manuel: Das ist eben eine Einteilungssache. Wenn die Arbeit passt, wenn grad nichts zu heuen ist, da haben wir bisher meinen Schwager gefragt und der ist eingesprungen. Einen Betriebshelfer hatten wir bisher nicht, das wäre dann eine ganze Woche und man kann es ja doch eher schwerer einteilen.

Was war dein schönstes und dein herausforderndes Erlebnis bisher?

Manuel: Immer wenn alles gut geht, wenn die Qualität und die Milchleistung passt, wenn man sieht, dass das funktioniert, was man gerne macht. Also eigentlich wenn man sieht, dass die Arbeit einen Sinn macht, das tut gut. Auf der anderen Seite ist es schwierig, dass man überhaupt mit allem klar kommt, dass die Einteilung auch passt. Bei uns ist auch Wald dabei und wir hatten vor Kurzem großen Sturmschaden, dann ist noch der Käfer und zugleich hätten wir heuen müssen. Da wird es dann schwierig, alles unter einen Hut zu bringen.

Wie hast du dir dein Leben als Milchbauer vorgestellt?

Manuel: Naja eigentlich habe ich es mir genauso vorgestellt. Man kann kurzfristig am Vormittag was erledigen, man ist sein eigener Chef. Wenn was nicht passt, dann weiß man, dass man es das nächste mal anders machen könnte.

Übernahme und Umstieg auf Milchvieh

 

Warum wolltest du Milchvieh machen?

Für mich war das die einzige Option, dazwischen hat es nichts gegeben. Entweder Milchwirtschaft im Vollerwerb oder ich lass es ganz, weil hobbymäßig wollte ich es nicht machen. Es ist nicht mehr Sicherheit, nebenbei eine Arbeit zu haben, man kann jederzeit rausgeschmissen werden. Hier bin ich mein eigener Chef.

Hast du dir deinen Beruf so vorgestellt?

Ich hab es mir genauso vorgestellt. Bei mir ist es so, es ist alles voll automatisiert, ich bin also nicht so an die Zeiten gebunden, das macht es flexibler. Im Sommer ist es schon stressiger, das ist klar. Aber wenn ich mal einen Tag nicht so viel mach, dann tu ich das einfach. Wobei, ich gebe zu, dass das noch nicht oft der Fall war!

Wie war das mit der Übernahme bei euch?

Mein Vater ist nebenbei in die Arbeit gegangen 20 Stunden und hatte Kälbermast, ich war 40 Stunden arbeiten. Dann hab ich mich entschlossen, auf Milchvieh umzusteigen. Im September 2020 wurde übergeben, am 21. September wurde mit dem Bau begonnen und die Kühe sind im Februar gekommen. Es ist wirklich schnell gegangen! Von einem Betrieb, der aufgehört hat, hab ich auf einen Schlag 15 Kühe gekauft und jetzt hab ich auf 33 aufgestockt. Platz ist noch für 53 Stück. Mein Vater hat mir schon sehr geholfen, aber der Großteil der Ideen sind meinem Kopf entsprungen.

Wie ist das mit der 365 Tage Verfügbarkeit?

Man arbeitet mit Vieh, die brauchen 365 Tage im Jahr Aufmerksamkeit. Aber das ist auch bei Selbstständigen so, dass man immer daran denkt, bei jedem, der eigenständig als Unternehmer einen Betrieb führt. Man kann da nicht einfach so abschalten. Das gehört dazu. Und meine Eltern helfen mir bei der Arbeit, im Stall, wenn ich nicht da bin. Aber sie mischen sich nicht in Entscheidungen ein, sie haben wirklich losgelassen, das macht es mir einfacher.

Was sind die größten Herausforderungen?

Dass uns der Handel fertig machen will, wir sind am Ende der Kette, obwohl wir das wichtigste liefern. Wir müssten das wieder in die eigenen Hände nehmen. Selbstvermarktung würd helfen und den Handel ausschalten. Direktvermarktung muss man mögen, das bin ich nicht. Da steckt so viel Arbeit dahinter, da muss auch die Lage passen. Ich hoffe, dass das heimische wieder mehr Wert wird und unsere Produkte verwendet werden. Im Moment passt der Milchpreis. Die Herkunftskennzeichnung wäre für uns Bauern sehr wichtig, da werden die Konsumenten für blöd verkauft. In der Gastronomie werden nur 9% heimische Produkte verwendet, weil es von woanders billiger ist. Wir brauchen Preise, von denen wir leben können.

 

Perspektive Landwirtschaft Gebrüder Woerle Hofnachfolge Freizeit in der Landwirtschaft Hofübergabe Salzburg HBLA Ursprung PELA

Weitere Infos

Am 2. September um 19.30 findet die Veranstaltung “Über das gute Leben in der Landwirtschaft” statt. Der Verein Perspektive Landwirtschaft und die Käserei Woerle laden dazu herzlich ein!

Programm:

  • “Jeder Mensch braucht Freizeit – auch Bäuerinnen und Bauern?” mit Birgit Bratengeyer von Lebensqualität Bauernhof, der bundesweiten Bildungs- und Informationsinitiative zur Unterstützung von Bäuerinnen & Bauern.
  • “Alte Höfe, neue Wege – Hofnachfolge anders gedacht” – mit Margit Fischer und Florian Jungreithmeier von Perspektive Landwirtschaft

Veranstaltungsort: HBLA Ursprung / Ursprungstraße 4, 5161 Salzburg

Einladung:
Alle Landwirt*innen, die Ihren Arbeitsalltag und das Leben am Betrieb beleuchten und die eigene Lebensqualität am Hof verbessern wollen, indem gemeinsam neue Blickwinkel auf Organisation, Arbeitsteilung und Zeitmanagement betrachtet werden. Ebenso Landwirt*innen, die ihren Betrieb in den nächsten Jahren an eine nachfolgende Generation übergeben möchten und motivierte zukünftige Landwirt*innen, die konkret auf der Suche nach einem Betrieb sind, um Landwirtschaft zu betreiben.
Die Teilnahme ist kostenlos! Anmeldung bei info@perspektive-landwirtschaft.at oder unter diesem Link:
Perspektive Landwirtschaft Gebrüder Woerle Hofnachfolge Freizeit in der Landwirtschaft Hofübergabe Salzburg HBLA Ursprung PELA