Stellungnahme des Vereins Perspektive Landwirtschaft

zu den Fachentwürfen der Interventionen, Arbeitspapier zur Erstellung des Österreichischen GAP-Strategieplans

 

Aus der Bedarfsstudie “Außerfamiliäre Hofübergabe in Österreich” (Quendler et al 2015) geht hervor, dass 28% der Betriebsleiter*innen über 50 keine gesicherte Hofnachfolge haben. In einer Studie von KeyQUEST (2019) wird sogar von 47% der Betriebsleiter*innen ohne gesicherte Hofnachfolge ausgegangen. Daher ist es aus unserer Sicht erforderlich, eine Hofübergabe außerhalb des eigenen Familienkreises ausreichend und mit einem differenzierten Angebot zu unterstützen. Eine fehlende Hofnachfolge führt bei älteren Betriebsleiter*innen häufig zu einer hohen gesundheitlichen Belastung (psychisch und physisch) sowie zur Vernachlässigung der betrieblichen Weiterentwicklung (z.B. nötige Investitionen und Instandhaltungen werden nicht getätigt). Wie auch in der Bedarfsanalyse des BMLRT thematisiert, unterscheiden sich im Vergleich zur traditionell innerfamiliären Weiterführung die Rahmenbedingung für außerfamiliäre Übernehmer*innen wesentlich. Aus unserer Sicht fehlen jedoch zielgerichtete Interventionen, um potentielle Hofübergeber*innen und -übernehmer*innen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ausreichend zu fördern.

Wir wünschen uns eine Maßnahme “Frühwarnsystem Hofübergabe”, welche darauf abzielt, Betrieben ohne gesicherter Hofnachfolge, folgende Angebote zur Klärung eines zukünftigen Handlungsbedarfs in Bezug auf die Hofübergabe zu bieten:

  1. Unterstützung bei der innerfamiliären Klärung der Hofnachfolge (z.B. durch eine Mediation).
  2. Unterstützung bei der frühzeitigen Erkennung möglicher Probleme im Zusammenhang mit einer zukünftigen Hofübergabe.
  3. Unterstützung beim Ausfindigmachen von Möglichkeiten, falls eine Übergabe innerhalb der Familie nicht möglich ist (zB außerfamiliäre Hofübergabe).

Wir wünschen uns eine Maßnahme, die die “Auseinandersetzung mit neuen Formen der Hofübergabe und Betriebsführung” fördert. Die außerfamiliäre Hofübernahme sowie diverse Formen der kooperativen Betriebsführung sollen für Quereinsteiger*innen und weichende Erb*innen eine Möglichkeit darstellen, in die Landwirtschaft einzusteigen. Für die Umsetzung dieser Maßnahme wollen wir folgende Angebote bereitstellen:

  1. Informationsoffensive und Aufklärung über die Möglichkeit, Betriebe kooperativ zu führen, um die Wertschöpfung und Wertschätzung landwirtschaftlicher Tätigkeit durch Zusammenarbeit in der Landwirtschaft zu stärken.
  2. “Zur Erleichterung der Orientierung für Übergebende und Übernehmende empfehlen diese, Informationen über das Thema außerfamiliäre Hofübergabe in der Landwirtschaft (geeignete Rechts- und Organisationsformen, Finanzierung, Förderung, Vertragsgestaltung etc.) in entsprechender Art und Weise zu veröffentlichen, so dass diese leicht zugänglich sind.” (Quendler et al 2015)

Wir wünschen uns eine Maßnahme, die “Räume der Begegnung und der Vernetzung zum Thema Hofnachfolge” in Form von Bildungsveranstaltungen und einer Online Plattform schafft. Diese Maßnahme ist für die Übergebenden und Übernehmenden wichtig, um “das Suchen, Finden und den gesamten Übergabeprozess einfacher und effizienter zu machen” (Quendler et al 2015). Für eine erfolgreiche außerfamiliäre Hofübergabe ist unserer Erfahrung nach eine regelmäßige Prozessbegleitung von großer Bedeutung. Die psychosoziale und zwischenmenschliche Beratung und Begleitung ist im Gegensatz zur rechtlichen Beratung noch nicht abgedeckt, ebenso wenig wie der Betrieb einer Online Plattform. Daher sind folgende Punkte für die Umsetzung der Maßnahme wesentlich:

  1. Bereitstellung von Fördermittel für die seit 2017 bestehende aktuell einzige österreichweite Online Plattform unseres Vereins Perspektive Landwirtschaft für Kennenlernen, Austausch und Vernetzung von Menschen, die ihren Hof übergeben und Menschen, die einen Hof suchen. Die hohe Nachfrage auf beiden Seiten erfordert mehr Ressourcen für eine qualitative Betreuung der Plattform.
  2. Umsetzung eines Modelles der Prozessbegleitung, ähnlich der geförderten Familienmediation oder Beratungsgutscheine, oder mehr direkte Unterstützung von Organisationen wie Lebensqualität Bauernhof und Perspektive Landwirtschaft, um diesen Service günstig bis kostenlos anzubieten.

Wir wünschen uns eine Maßnahme, die die “außerfamiliäre und gemeinschaftliche Hofübernahme fördert und unterstützt”. Um zu einer Entscheidung für oder gegen die Übernahme eines Betriebes zu gelangen, bedarf es einer Zeit des Kennenlernens und der Fortbildung. Diese Zeit ist mit einem erhöhten finanziellen Aufwand (z. B. Lebensumstellung durch Orts- und Berufswechsel) verbunden und durch andere Förderungen noch nicht abgedeckt. Motivierte Hofübernehmende, unabhängig ihres Alters, können mit ihrer bisherigen Erfahrung das Innovationspotential der Landwirtschaft fördern. Daher sollen in dieser Maßnahme folgende Punkte berücksichtigt werden:

  1. Ermöglichung und Förderung einer Probezeit auf Betrieben für potentielle Hofübernehmende zur Orientierung im Berufsfeld und zum gegenseitigen Kennenlernen.
  2. Eine Förderung unabhängig von Alter sowie von vergangener Pachtverhältnisse und Betriebsführung.
  3. Die Beteiligten einer außerfamiliären Hofübernahme sowie diverser Formen der kooperativen Betriebsführung sollen direkt unterstützt werden, da sie finanziell höhere Hürden für den Zugang zu Land bewältigen müssen (z.B. höhere Grunderwerbssteuer, keine Möglichkeit der Mitversicherung am Betrieb).

Nur durch eine Verbesserung der Einkommenssituation kleinbäuerlicher Betriebe, durch wirksame Maßnahmen für eine Ökologisierung zur Verhinderung des Klimakollaps und durch ein effizientes Anreizsystem für den Insekten- und Artenschutz wird es Menschen langfristig überhaupt möglich sein, landwirtschaftliche Betriebe zu übernehmen und zu bewirtschaften, sei es inner- wie außerfamiliär. Wir ersuchen Sie daher, Ihre Fachentwürfe zu den Interventionen zu überarbeiten, um die Erreichung der Green-Deal-Ziele zu gewährleisten.

Unsere Ziele

Wir setzen uns für eine zukunftsfähige, vielfältige und ökologisch verträgliche Landwirtschaft ein. Das bedeutet für uns, dass die Höfe und Menschen in der Landwirtschaft mehr werden – und nicht weniger. Landwirtschaft steht für vielfältige Aufgaben, von der Bereitstellung von Lebensmitteln über den Erhalt und die Weiterentwicklung von Wissen und Handwerk, den Klima- und Artenschutz bis hin zur Gestaltung und Pflege unserer Landschaften und Ökosysteme.

Wir wünschen uns eine Gesellschaft, die Landwirt*innen für ihre Tätigkeiten wertschätzt und Landwirtschaft als reale und attraktive Berufsoption zugänglich macht. Deshalb leben wir eine neue und offene Kultur der Hofnachfolge und des landwirtschaftlichen Generationswechsels, indem der Prozess der Hofübergabe enttabuisiert und frühzeitig thematisiert wird. Wir sind überzeugt, dass Einsteiger*innen die Innovationskraft der Landwirtschaft steigern und eine Bereicherung für den ländlichen Raum darstellen.

Quellen

KeyQuest  (2019)Hofnachfolge auf vielen Betrieben noch ungeregelt: KeyQUEST Marktforschung erhebt Situation zur Hofnachfolge in der Landwirtschaft. Verfügbar unter:  https://www.keyquest.at/news/agrar-news/keyqueststudiezuhofnachfolge/

Quendler, E., Brückler, M. und Resl, R. (2015)  Außerfamiliäre Hofübergabe in Österreich: Bedarfsstudie für eine Informations- und Bildungsoffensive basierend auf österreichweiten Befragungen von LandwirtInnen. Verfügbar unter: https://landjugend.at/fileadmin/user_upload/Bund/Programm/LW_und_Umwelt/Hofuebergabe/Ausserfamiliaere_Hofuebergabe/Bedarfsstudie_Ausserfamiliaere_Hofuebergabe_AWI_Juni_2015_ohne_Anhang.pdf