Loslassen – eine Herausforderung, die sich lohnt

 

Warum das Loslassen des eigenen Lebenswerkes, so essentiell für eine gelungene Hofübergabe ist

 

Außerfamiliäre Hofübergabe Österreich Perspektive Landwirtschaft

Annehmen und Abgeben sind die zwei zentralen Herausforderungen, die Übernehmer*innen und Übergeber*innen im Zuge der Hofübergabe meistern müssen. Dieser Artikel widmet sich dem Prozess des Abgebens – des Loslassens. Zusätzlich zu unseren eigenen Erfahrungen als Verein Perspektive Landwirtschaft, durften wir für diesen Artikel den Coach Hans Mitterhuber, der über 150 Nachfolgeprozesse begleitet hat, zu seinen Erkenntnissen aus der Berufspraxis befragen.

Die Hofübergabe als Lebensereignis

Der Hof stellt bis zum Zeitpunkt der Übergabe oftmals den zentralen Lebensmittelpunkt der Übergeber*innen dar. Die Altbäuerinnen und Altbauern sind zum Teil am Hof geboren und erhalten durch die Bewirtschaftung des Hofes eine generationsübergreifende Tradition. Leben und Arbeiten finden seit der Kindheit am eigenen Betrieb statt. Wie soll man da von einem auf den anderen Tag Loslassen können?

“Hofübergabe ist – ähnlich dem Tod oder der Geburt – ein Lebensereignis, das
auf das ständige Kommen und Gehen, auf das Beginnen und das Aufhören
aufmerksam macht. (Herzog, 2006, S.7)”

Die simple Antwort: gar nicht! Loslassen ist ein schrittweiser Prozess, der Zeit benötigt und bereits vor der eigentlichen Übergabe beginnen soll.  Die Hofübergabe ist ein einschneidendes Lebensereignis im Leben von Bäuerinnen und Bauern stellt laut Studien einen großen Stressfaktor für die Übergeber*innen dar. Unsicherheiten und Ängste vor dem Danach und der Auseinandersetzung mit sich selbst werden als emotionale Herausforderungen beschrieben.

Neue Wege nach der Hofübergabe entdecken

Wie kann man sich auf diese Veränderungen also gut vorbereiten? Essentiell für eine gelingende Hofübergabe ist, dass sich die Übergeber*innen rechtzeitig mit der Gestaltung der eigenen Zukunft nach der Übergabe auseinandersetzen.

Der Coach Mitterhuber sieht die aktive Beschäftigung mit der Phase nach der Hofübergabe als essentiell:

Damit Übergeber*innen den vertrauten Betrieb leichter loslassen können, ist es wichtig, dass sie sich konkrete Gedanken darüber machen, was sie nach der Übergabe GERNE machen wollen? Wollen sie bestehende Interessen vertiefen bzw. intensivieren? Wollen sie neue Aktivitäten beginnen? Mit wem möchten sie diesen Interessen/Aktivitäten nachgehen?”

Hofübergaben sind eine fordernde Zeit für alle Beteiligten und oft stehen Gespräche mit den Übernehmer*innen und die rechtliche Ausarbeitung des Übergabevertrages im Vordergrund. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen und der Frage zu widmen, wie die eigene Pension zu einer erfüllenden Lebensphase werden kann und welcher sinnstiftende Lebensinhalt außerhalb des Hofes die Basis dafür bilden kann.

Das Ausprobieren neuer Hobbies oder ein Ehrenamt – vielleicht möchte man sich mehr in der Pfarre engagieren, Reisen unternehmen oder mit dem Jagen beginnen-  können wichtige Ansätze sein, die das Loslassen der verantwortungstragenden Funktion am Hof erleichtern. Hier gibt es kein Patentrezept. Wie man den Alltag nach der Übergabe gestaltet, ist individuell und es kann durchaus Zeit brauchen, bis man etwas gefunden hat, das genau passt.

Loslassen dürfen – sich erlauben, Verantwortung abzugeben

Damit eine Übergabe auf der Dauer Bestand hat und für Alt und Jung gut funktioniert, empfiehlt es sich schrittweise schon im Vorfeld der Übergabe Verantwortungen für Teilbereiche abzugeben und so die Übernehmer*innen Schritt für Schritt in ihre Rolle als zukünftige Betriebsführer*innen reinwachsen zu lassen. Das Vertrauen, dass mit der Übergabe der Verantwortung für den Betrieb einhergeht, ist für die künftige Generation enorm wichtig. Dieses Vertrauen drückt Wertschätzung aus und zeigt den Übernehmer*innen, dass der Altbauer und die Altbäuerin ihnen die gute Führung des Betriebes, des eigenen Lebenswerkes, zutrauen.  Loslassen bedeutet auch die Vorstellung, wie der Betrieb sich entwickeln soll, loszulassen. Damit der Betrieb und die Nachfolgenden eine gute Zukunft vor sich haben.

Damit das Loslassen gelingt, muss auch die übernehmende Generation etwas beitragen. In unserem Gespräch bekräftigt Hans Mitterhuber, die Handlungsmöglichkeiten der Übernehmer*innen um das Loslassen für die Altbäuer*innen ein Stück weit zu erleichtern:

Es ist ganz wichtig, dass Übernehmer*innen die Übergeber*innen und den Hof anerkennen und wertschätzen und das auch aussprechen.”

Die Hofübergabe früh genug angehen

Hr. Mitterhuber bestärkt Bäuerinnen und Bauern sich rechtzeitig mit dem Übergeben auseinanderzusetzen:

Spätestens mit 60 Jahren sollten sich Übergeber*innen konkret mit dem Loslassen und Übergeben beschäftigen, damit die Übergabe bis zum 65.Geburtstag auch vertraglich realisiert werden kann. Meine Erfahrung ist nämlich, dass Landwirte, die ihre Betriebe mit 65 Jahren noch nicht übergeben haben, tendenziell nicht mehr zu Lebzeiten übergeben. Spätere Übergaben sind aus meiner Erfahrung absolute Ausnahmefälle.”

Die Übergabe begleiten lassen und sich Unterstützung erlauben

Wie schon  beschrieben, ist die Übergabe ein einschneidendes Erlebnis im Leben von Bäuerinnen und Bauern. Die Anforderungen an die eigene Person – Loslassen und parallel einen neuen Lebensabschnitt planen – sind hoch und herausfordernd.  Umso wichtiger kann es sein, sich Unterstützung zu erlauben, wenn man merkt, dass man wo ansteht oder es zu viel wird. Gespräche mit Vertrauten oder mit bewusst gewählten neutralen Berater*innen können in diesen Zeiten entlasten und neue Perspektiven aufzeigen.

Zusammenfassend können laut dem Hans Mitterhuber schon präventiv folgende Maßnahmen unterstützen um das Loslassen und die Übergabe möglichst fließend und angenehm für alle Beteiligten zu gestalten:

    • Grundlegend wichtig ist eine anerkennende und wertschätzende Haltung der Übernehmer*innen gegenüber den Übergeber*innen und dem Hof.
    • Altbauern und Altbäuerinnen sollen konkrete Interessen, Beschäftigungen, Aktivitäten als Alternativen zur Arbeit am Hof überlegen und entwickeln. Wir Menschen lassen etwas Vertrautes in der Regel erst dann los, wenn wir wissen, was wir stattdessen in Zukunft machen

Das Loslassen des eigenen Betriebes & Lebenswerkes ist demnach eine der großen Herausforderungen im Leben eines Bauern/ einer Bäuerin, wenn es jedoch gelingt, dann lohnt es sich! Dann können der Hof, die Übergeber*innen wie auch die Übernehmer*innen auf eine gute Zukunft hoffen.

Schließen möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat von Jean Jaurés:

“Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.”

Perspektive Landwirtschaft Hofübergabe Österreich

Credit: Jim Chesek über Unsplash

Weitere Infos

Die Autorin des Artikels ist Lisa Altersberger-Kenney.
Für den Artikel führte sie ein Kurzinterview mit Hans Mitterhuber.

Über Hans Mitterhuber:

Herr Mitterhuber ist Betriebswirt und war 24 Jahre im klassischen Bankgeschäft mit dem Schwerpunkt Finanzierungen. Nach Weiterbildungen in Coaching, systemischer Beratung und Organisationsaufstellung begleitet er seit knapp 17 Jahren als neutraler Coach Unternehmensnachfolgen und Hofübergaben. Dabei hat er Praxiserfahrungen mit knapp 800 Nachfolgesituationen gesammelt, 150 davon sind Hofübergaben.

Weitere Quellen:

Vogl Arabella, BSc (2018): Nachfolge in Familienunternehmen – eine Evaluation des Generationenwechsels, Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science der Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz, 2018

Herzog, H, (2006). Hofübergabe aus menschlicher Sicht: Weichenstellung für dieZukunft. Hofübergabe/Hofübernahme, 3. Auflage (S. 7-14). Wien: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft